Dienstag, 28. August 2007

Abschmatzen

Es geht um`s "Abschmatzen". Das Küssen zur Begrüssung. Die Leser/innen aus der Schweiz haben keine Ahnung, was das für Norddeutsche bedeutet. Küssen zur Begrüssung! Womöglich kommen irgendwelche Fremden und knutschen einfach. Für Norddeutsche gibt es hier nur zwei Möglichkeiten. Das Küssen ist entweder ein Akt der Liebe oder ein sexueller Übergriff. Ein vernünftiger Händedruck mit aufrechtem Blick in die Augen wird doch wohl reichen. Glaubt mir, das ist schon fast so etwas wie ein Freundschaftsbeweis. Immerhin zeugt ein Kopfnicken zum Gegenüber von Aufmerksamkeit und überträgt keine Krankheiten. Das reicht eigentlich völlig. Als Kathi einmal automatisch einen Freund von mir küssen wollte, zuckte der zusammen und war völlig überrumpelt. Wir schätzen nicht unbedingt Nähe von Personen, die wir weniger als 10 Jahre kennen. Wir fangen schliesslich erst nach einem Jahr überhaupt an uns beim Begrüssen anzusprechen. Mit "Moin". Es ist ja klar, dass ich schon einigen Umgang mit Schweizer/innen hatte, bevor ich nach Basel zog. Ich war also mit der "Abschmatzerei" zur Begrüssung vertraut. Es war kein Problem für mich, ich ging offensiv vor. Kathi traf eine Arbeitskollegin auf der Strasse, und ich übernahm unverzüglich die "Kussinitiative". Kurz bevor mein Kuss auf ihrer Wange "einschlug" spürte ich, dass hier etwas falsch lief. Es war zu spät, jetzt musste ich damit weitermachen. Die arme. Sie stand völlig überrumpelt dort und liess meine Küsse über sich ergehen. Sie sah völlig verdattert aus, sagte aber nichts. Sie war eben höflich. Ich dafür peinlich berührt. Es gibt auch eine Variante, bei der ich weniger offensiv vorging. Fremde Bartstoppeln an meinen Wangen zu spüren war schon gewöhnungsbedürftiger. Andere Länder, andere Sitten dachte ich und machte munter mit. Hin und wieder überfielen mich Gedanken daran, wie sich morgens bei Arbeitsbeginn alle herzlich auf die Wangen küssen, und die Arbeit erst noch 1/2 Stunde warten muss, bis alle fertig sind. Oder man geht zur Geschäftsleitung, "schmatzt sich ab", kassiert die Kündigung und verabschiedet sich dann mit zeremoniellen Küssen auf die Wangen. Drei mal, wurde mir beigebracht. Ok, ok, insgeheim dachte ich mir schon, dass es beim Schaffen nicht so laufen kann. Davon abgesehen, musste ich, nachdem ich schon fast zwei Monate in Basel wohnte, erfahren, dass sich die Männer keineswegs immer küssen. Schockschwere Not! Deshalb kam mir der eine oder andere Mann so steif vor. Na super! Es ist also so, dass sich nur in Kathis Kreisen die Männer abschmatzen. Jedenfalls drei mal, denn aus einem Buch habe ich erfahren, dass sich Männer eher im französisch sprachigen Raum küssen, aber nur zwei mal. Ja, ja, so unterscheiden sich die Sitten und Gebräuche. Abgesehen davon, machen es Kathis Freunde nicht automatisch, sondern erst, wenn eine freundschaftliche Verbindung besteht. Und ich bewege mich "fröhlich knutschend" durch Basel und belästige andere Leute, die verschreckt und steif vor mir stehen, weil sich meine Lippen ihnen unaufhaltsam nähern. Aber das wurde ja zum Glück geklärt. So nebenbei beim Abendessen. Von einer eingeladenen Bekannten, die mich ganz erstaunt ansah, als wir über das Thema sprachen. "Nein, wieso küssen sich Männer?"

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