Sonntag, 4. November 2007

Frühstück

Wir sassen heute morgen am Frühstückstisch und legten uns die Wurstscheiben aufs Brot, die Käsestücke und Oliven auf den Teller. Wie es eben so üblich ist. Marino sass an der Kopfseite des Tisches. Sein Kopf ragte nicht viel über die Tischplatte, aber weit genug, um alles zu sehen. Bei jedem Stück irgendwas, welches irgend jemand auf den Teller legte, sagte er:"ICH AUCH". Sein vor ihm liegendes Brot sah zwar grösser aus als sein Kopf, aber er wollte alles. Nur nicht zu kurz kommen. Ich stellte mir also vor, wie alle ihre Abgaben an ihn leisten und sein Teller somit voller und voller werden würde. Da fielen mir wieder die Büffets ein. Jetzt wurde mir klar, warum es bei Hauptmahlzeiten immer für alle das gleiche Essen gibt. Wie viel Tote es wohl zur Ritterzeit beim Essen gegeben hatte? Alle sassen schwer bewaffnet und schwer besoffen an der Tafel bis ein Lakai kam, die über dem Feuer gegarten Schweine und Rehe einfach auf den Tisch warf und sich möglichst schnell von der Tafel entfernte. Hinter dem schweren Vorhang versteckt, sah er sich das folgende Schauspiel an. Hochgewachsene vollbärtige und muskulöse Typen stürzten sich mit langen Messern auf das bereits erlegte Wild, um es endgültig zu fleddern. Und jeder wollte nicht nur alles, sondern war auch zu allem bereit um die besten Stücke zu bekommen. Vielleicht hatten Ritter nur aus diesem Grund Rüstungen. Wenn nach jedem Essen nur ein oder zwei Personen übrig bleiben, dann is nix mit Heerscharen, die nach Jerusalem reisen. Nachdem die englischen Langbogen die Rüstungen durchschlugen und diese somit nur noch zum Essen taugten, wurden sie, mangels Multifunktionalität abgeschafft. Menschen und Waffen wurden leichter, Feuerwaffen wurden zum Standard, die Gemetzel bei Tisch nahmen ab. Das laute Geknalle gepaart mit dem üblen Duft des Schwarzpulvers waren einfach nicht zu ertragen. So konnte man keine vernünftigen barbarischen Partys mit ner ordentlichen Schlägerei feiern. Es herrschte so etwas wie ein stillschweigender Waffenstillstand. Hin und wieder starb jemand am eigenen Gestank, weil Waschen eben NICHT hoffähig war. Mit dem 16ten Jahrhundert kam der protestantische Glaube und so etwas wie Tischsitten wurden eingeführt. Der übliche Gestank wurde nun um`s Furzen, und die Lärmkulisse um`s Rülpsen erweitert. Das Schwarzpulver hätte an dieser Stelle sicher für besseren Geruch gesorgt, aber die Menschen nahmen die Möglichkeit nicht war. Im Laufe des 18ten Jahrhunderts nahmen Kriege und Revolutionen ab. Die Menschen wurden etwas zivilisierter, die Sitten bei Tisch weniger aggressiv. Im 19ten Jahrhundert kam er! Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge. Doch lasst euch nicht täuschen! Sein Buch mit dem Titel "Über den Umgang mit Menschen" hatte nichts mit Tischmanieren zu tun. Es war eher ein soziologisches Werk, das den Umgang der Menschen untereinander regeln und Enttäuschungen vermeiden sollte. Den Menschen wurde, zumindest in der Öffentlichkeit, der Respekt vor einander gelehrt. Dieses Werk wird eher dazu beigetragen haben die Todesfälle bei Tisch abzuschaffen, als die Gesetze, die ja auch heute noch nicht für alle gleich gelten. Erst nach seinem Tode wurde das Buch um die heute bekannten Benimmregeln erweitert. Knigge hin, Knigge her. Bei kleineren Kindern am Tisch und grossen an Büffets, siegt auch heute noch das Barbarentum.

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