Donnerstag, 21. April 2011

Felsgeflüster und Chaos

Die Saison im Fels ist eröffnet.
Ich, bzw wir waren mal wieder im Roches d`Orvin.
Der ca 35min steile Anstieg, teils auf rutschigem Schotter, hat mir Flachländer zwar mal wieder stark zugesetzt, aber es lohnt sich ja.
Oben angekommen, waren die Wände voll.
Reges Treiben ist nur der Vorname und das Chaos entsprechend gross.
Bei den Mehrseillängentouren wird auch dort geklettert, wo sich andere abseilen.
So hörte ich jemanden “SEIL” rufen und auf meinem Helm machte es “klong”, weil eben dieses Seil darauf landete.
Macht nix, logger bleiben, is halt Rushhour dort oben.
Ehrlich, das stört mich überhaupt nicht, im Gegenteil, ich liebe diese lockere Atmosphäre.
So hockte ich am Ende der 2-Seillängen Tour
”Celle de droite” (5b+) neben einem Schweizer auf dem kleinen Standplatz und kam so ins Plaudern.
Mir fiel nämlich auf, dass er die Kletterpartnerin am Fels sicherte und ich am Körper.
Ich war halt lange nicht unterwegs.
So lange, dass ich kaum noch die Knoten kannte.
So sass er locker auf der Kante, während ich mir im Stehen einen abbrach.
Aber das machte alles nix.
Ausserdem waren unsere beiden Nachfolgerinnen zum ersten Mal in echtem Fels.
Macht auch nix.
Wir plauderten über Sicherungsmethoden im Fels und darüber, dass alle mal angefangen haben.
Und wenn alles etwas länger dauert, ist dies nicht schlimm. Wirklich schlimm ist blinder Aktivismus.
Ausserdem sitzen wir aus Spass dort oben, denn sonst könnten wir ja auch arbeiten gehen.
Derweil waren alle oben. Fünf Personen.
Da wir auf der falschen Seite standen und keine Hektik verbreiten wollten, schauten wir uns das folgende Schauspiel an, plauderten und genossen den Ausblick.
So baute der gute Mann die Abseilsicherungen für sich und die beiden anderen ins Seil und verabschiedete sich mit dem typischen “also”.
Er hatte den beiden vorher genau erklärt, wie sie sich abseilen und die Prusikschlinge zu bedienen haben, aber die blickten, jetzt wo er weg war, nicht mehr so recht durch.
So lag es dann an mir, den Überblick über das Gewirr im Seil zu gewinnen.
Also erklärte ich noch etwas und testete mit ihnen am kurzen Seil mit eingebundener Sicherung.
Anschliessend seilten die Beiden unfallfrei ab.
Wir entschlossen uns abzusteigen.
Extrem lustig.
Lustig in dem Sinne, dass wir alle nur Menschen sind, das Beste daraus machen und die Sache genossen. Leben und leben lassen.
Keine Vorwürfe, keine gerümpfte Nase, kein Leistungszwang. Genussklettern par excellence.
Ich liebe diese Stimmung!
Da weht in Norddeutschland ein anderer Wind.
Dort hängen nur vermeintliche Vollprofis in den Wänden, und wer nicht gleich ne 7 klettert gehört eh nicht in die Wände. Die Anderen sollen gefälligst ein paar Alpenvereinskurse bezahlen und kuschen.
Pfeiff doch was drauf, wo bleibt denn da der Spass?Als ich meine Partnerin in einer Tour abseilte, kletterte uns einer in die Route.
Völlig umnachtet und auf den nächsten Move fixiert, landete mein Sicherungsseil tatsächlich in seiner Po-Spalte und er nahm es nicht wahr.
Seine Kollegen lachten sich weg und riefen ihm zu,
aber er war zu konzentriert und glänzte durch geistige Abwesenheit. HERRLICH.
Und ich?
Mir juckte es in den Fingern.
Es war eine extrem verlockende Vorstellung, das Seil durch seine Ritze laufen zu lassen.
Aber war ja auch so schon lustig genug, auch für meine wartende Seilpartnerin.
Leben und leben lassen.
Ich klettere lieber ne 5b+ im totalen Chaos, als ne 6c+ unter Leuten, für die nur Leistung zählt.
Denn Tage wie diese, Tage die logger und geschmeidig verbracht werden, Tage an denen alle miteinander reden, ob deutsch, englisch oder französisch, oder sich eigentlich nicht wirklich verstehen, diese Tage sind die kostbaren.

Und die Unfallgefahr?
Mir persönlich ist nicht zu Ohren gekommen, dass sie die Unfallstatistiken in der Schweiz wesentlich von anderen unterscheiden.

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