Sonntag, 9. Dezember 2007

6 Monate Schweiz

Es gibt Tage, an denen ich in der Innenstadt die Kopfhörer abnehme und mich wundere, warum die Menschen um mich herum so komisch sprechen, so vertraut erscheint mir hier manchmal alles. Trotzdem bleibt die Frage offen, ob ich mich gut eingelebt habe. Dieser Frage gehe ich nun auf den Grund. Vom Land an sich habe ich schon viel gesehen. Die tollen Kurztrips und die beruflich zurückgelegten 10`000 km haben mich die Schweiz besser kennen lernen lassen als Deutschland. Ich bin sicher kein "Schweizkenner", aber ich hatte doch Gelegenheit mit vielen Leuten zu sprechen, was mich nicht allzu einseitig sehen lässt. Apropos sprechen. Ich habe immer noch Probleme, die Sprache richtig zu verstehen. Davon abgesehen, dass in der Schweiz viele Dialekte gesprochen werden, hat jeder Mensch hier seine eigene Intonation. Es klingt für mich wie eine eigene Melodie, wenn fremde Personen mit mir sprechen. So klingt denn auch der Berner Dialekt wie ein Singen für mich. Aber ist ja zum Glück nicht so, dass ich nichts verstehe und ich werde ja fast immer verstanden, wenn ich die typisch norddeutschen Wörter nicht verwende. Und nicht nuschel, und die Menschen beim Sprechen ansehe, usw. ;-) Beim "Plattdüütschen" ist das natürlich was anderes. Is ja nu nich so, dat we keene egen Sprook hebben. So bleibt immer etwas Heimat erhalten. Plattdeutsch ist übrigens eine Sprache, kein Dialekt, wir bestehen darauf! Leider ist "Platt", also die niederdeutsche Sprache vom Aussterben bedroht. Sie wird praktisch nur noch auf dem Lande geprochen. Daneben gibt es in Bremen und Hamburg noch das so genannte "vornehme" Plattdeutsch als letztes Relikt der lingua franca der einstigen Hanse. Ich hoffe sehr, dass sich diese Entwicklungen nicht auch in der Schweiz ausbreiten. Für mich ist das Hochdeutsche nicht das Mass aller Dinge. Ausserdem können ohnehin nur wenig Deutsche wirkliches hochdeutsch sprechen. Doch zurück zur Schweizer Mundart. Immerhin klingt sie für mich nicht mehr nur fremd und wird immer mehr zu einem festen Bestandteil meiner Umgebung. Je mehr Volksgruppen ich hier kennen lernte, je verschiedener die Menschen waren, umso mehr spürte ich, dass wir zu einem grossen Teil gleich denken. So viel zu meiner Wahrnehmung. Da ich zu der Sorte Mensch gehöre, die sich nicht allzu viel Gedanken darüber machen, wie sie von anderen wahrgenommen werden, kann ich "die andere Seite" nicht beurteilen. Allerdings gehöre ich auch zu der Sorte Mensch, die sich "vollautomatisch anpassen". Ich möchte ja, dass die Menschen mich verstehen, also muss ich hier und da mal Schweizer, statt hochdeutscher Wörter gebrauchen, sonst wird die Kommunikation unnötig ungemütlich. Muss ja nicht sein. Ich möchte auch wissen, was in diesem Land geschieht, also sehe ich Schweizer Nachrichten und lese ab und zu die Zeitung. Ab und zu ist viel mehr, als ich es in Deutschland tat. Ich versuche sogar höflich zu sein, ehrlich. Hier besteht eben so etwas wie ein "Grundlevel an Freundlichkeit", das will ich nicht einfach ignorieren. Ich werde diesen Level bestimmt nie erreichen, aber es ist ja nicht mein Bestreben eine andere Person zu werden. Ich will nur nicht allzu sehr als Rüpel erscheinen. Ein wenig "Barbarentum" in Form von unvermittelter Direktheit wird sicher für immer erhalten bleiben. Ich weise an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass die Worte "sicher" in diesem Text absolut schweizerisch gemeint sind ;-) So viel zu Land, Sprache und Verständnis. Privat läuft alles absolut bestens, ich kann mir kaum etwas schöneres vorstellen. In der Schweiz wird wegen der 42h- Woche zwar mehr gearbeitet, aber der Freizeitwert ist, besonders für Typen wie mich, viel viel höher. Die Leute sind alle voll in Ordnung und wir geniessen das Leben so gut es geht. Ein wesentliches Kriterium ist allerdings der Arbeitsplatz, denn der nimmt ja sehr viel "sozialen Raum" ein. Dort kommt sicherlich die viel diskutierte und ständig in den Medien zitierte Ausländerfeindlichkeit sehr viel mehr zum Tragen als in meinem Privatleben. Ich kann nur die Erfahrungen von zwei Monaten wiedergeben und die waren eher unspektakulär. Das wird sicher auch daran liegen, dass ich als eher ungeliebter Deutscher immerhin noch die Sprache spreche und somit so etwas wie einen "Halbausländer- Status" habe. Ausserdem konnte ich schwer unterscheiden, ob ich bei der Arbeit nun der Arsch war, weil ich neu war oder weil ich deutsch bin. Wirklich diskriminiert gefühlt habe ich mich eher selten. Dabei hilft sicher der in Deutschland sehr niedrige Level der schon genannten "Grundfreundlichkeit", denn vielleicht wurde ich ja viel schlechter behandelt als ich wahrgenommen hatte. Aber warum sollte ich mir darüber Gedanken machen, wäre doch unclever ;-) Nur eines bringt mich immer wieder zum Schmunzeln! Die Frage, wie es mir denn in der Schweiz gefällt! Alle erwarten, dass mir "ihr Land" gefällt, sonst sind sie pikiert. Lustige Sache, denn die eigene Heimat soll den Menschen zwar gefallen, aber nicht so sehr, dass diese gleich für immer bleiben wollen. So schön soll es dann auch wieder nicht sein. Und wie antwortet man auf so eine Frage? Aber ich habe gut Reden, denn für mich waren die Hürden der Umsiedlung bisher eher niedrig. Ab 02.01.2008 habe ich Arbeit in einer Firma die einen hoch soliden Eindruck macht und in der scheinbar alle Angestellten alt werden können. Wenn es so ist, dann hatte ich einen relativ "glatten Gang" und alles, wirklich alles steht zum Besten.

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