Der Freie Wille

Adrian war strikt dagegen.
Ich denke, Adrian ist bei weitem nicht der einzige.
Der freie Wille wird vehement verteidigt.
Kein Wunder, denn unsere soziologische Weltordnung steht auf dem Spiel.
Aber mal ganz ehrlich, was geht in Euch vor, wenn ihr eine Hose kauft?
Ich bin jetzt 46 Jahre alt und "einen Schritt weiter". Wenn ich mir heute eine Hose kaufe, dann zählt für mich im Wesentlichen die Funktionalität. Das liegt am Alter! Im Sinne der Fortpflanzung stand ich gestern noch vor dem Abgrund und bin heute "einen Schritt weiter". Die Attraktivität ist nicht mehr das wichtigste Kriterium, denn in meinem Alter pflanzt man sich normalerweise nicht mehr zwingend fort. Dabei fällt mir ein, dass ich mir in letzter Zeit Jeans zugelegt habe. Jeans sind nicht funktional, sie sind schwer und brauchen lange Zeit zum Trocknen. Ich habe sie mir nur aus einem einzigen Grund gekauft. Ich wollte nicht mehr der einzige in meiner sozialen Umgebung sein, der nur mit Funktionskleidung herumläuft. Boris hatte mich auch oft genug "mit der Nase darauf gestossen". Also kaufte ich mit Jeans. Ich gebe es zu, sie sollten dann aber auch gut sitzen. Mit anderen Worten: "dann muss ich auch nen "Knackarsch" darin haben".
Und? Liest sich das wie "freier Wille"?
Will ich freiwillig attraktiv aussehen und (wenigstens etwas) in meine soziale Umgebung passen oder handelt es sich dabei um eine soziale Überlebensstrategie? Eines ist jedenfalls völlig klar. Ohne andere Menschen, ohne soziale Bindungen, sind wir Menschen nicht überlebensfähig. Aber das wissen wir ja und wir wollen auch nicht ganz alleine sein. Uns gefällt die Gemeinschaft. Wir machen das aus freiem Willen, weil wir uns so wohl und geborgen fühlen und uns ein Pool möglicher PartnerInnen zum Zwecke der Fortpflanzung zur Verfügung steht. Gut, dass nicht alle Personen miteinander kompatibel sind und sich so "die Liebe" entwickelt hat. Ok, das ist jetzt meine romantische Version, die mir persönlich die Lebensqualität erhöht. Viele Menschen haben andere Rezepte, was sich schon in den weit gefächerten Sexualpraktiken widerspiegelt. Manchen Menschen macht Sex einfach nur Spass. Schlechte Nachrichten! Auch diese Praktiken suchen wir uns wahrscheinlich nicht selbst aus.
Ich denke, es handelt sich dabei um eine Mischung aus sozialem Erleben und der Triebsteuerung des limbischen Systems. Diese Funktionseinheit des menschlichen Gehirns dient der Verarbeitung von Emotionen und Trieben. Es steuert unseren Trieb und gaukelt uns vor, dass Sex Spass macht. Nach neueren Erkenntnissen arbeitet es allerdings nicht völlig autonom, wodurch die Theorie, dass dieses System uns fast komplett steuert als hinfällig gilt. Wenn ich an den Kauf meiner Jeans zurückdenke, sehe ich da allerdings gewisse Zusammenhänge.
Ach, was tun wir nicht alles um anderen zu gefallen.
Tun wir das wirklich selbst?
Hier noch ein weiters Beispiel wie unserer Willen beeinflusst wird.
Kennt ihr den Parasiten und Einzeller Toxoplansma gondii?
Er ist "in Katzen zuhause" und will sich verbreiten. Ich weiss nicht genau wie, aber Ratten und Mäuse flüchten, wenn sie Katzen-Urin riechen. Bei Menschen erfolgt eine Infizierung über ungewaschenes Gemüse, rohes Fleisch oder eine Katze. Der Trick des Toxoplansma gondii ist völlig genial!
Er bevorzugt die Gehirnregionen, welche Emotionen und Furcht steuern. Er nimmt die Furcht der Ratten und sorgt so dafür, dass sie schneller einer anderen Katze zum Opfer fallen. Da soll noch mal jemand sagen Einzeller wären dämlich.
Wie oben angedeutet, infizieren sich auch Menschen.
Können ja nicht viele sein, denn sonst wäre der Parasit ja bekannt, oder?
Falsch! In Deutschland soll jeder zweite Mensch damit infiziert sein.
Hier einige Auszüge der Folgen:
"Frauen werden warmherziger. Sie neigen zu einem spontanen Lebensstil und wechseln häufiger ihren Partner."
Wer also kauft die Damen Jeans mit dem "Knackarsch"? Die Frau, oder der Einzeller?
"Männer neigen unter anderem zu Aggressivität und erhöhter Risikobereitschaft."
Das finde ich persönlich natürlich ganz bitter, denn jetzt bin ich kein cooler Typ mehr, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach nur einer von Parasiten befallener Loser.
Ausserdem haben alle Toxoplasmose-Infizierte eine langsamere Reaktionszeit, denn wir sollen schneller sterben. Wie die Ratten.
Ein genialer Trick mit Denkfehler. Katzen fressen keine Menschen. Ob der Parasit von Mensch zu Mensch übertragen wird ist aus dem Artikel in der P.M. zwar nicht ersichtlich, aber ich denke nicht. Ist für uns auch eigentlich nicht überlebenswichtig.
Aber von freiem Willen kann hier keine Rede sein und wir tragen an die 2 kg Bakterien mit uns herum. Wenn ich so an die Wirkung der paar Toxoplansma gondii denke, frage ich mich schon, wer hier wen steuert.
Ganz ehrlich!
Wirklich ehrlich!
Ich sehe das ganze mit einem Schmunzeln und von aussen. Ich fühle mich weder ausgetrickst noch ferngesteuert. Im Gegenteil, es macht die Menschen für mich etwas gleicher. Mir persönlich ist es völlig gleichgültig. Ich habe nicht den Anspruch ein Unikum im Weltall zu sein, das etwas Übergeordnetes darstellt. Ich fühle mich wie ich mich fühle. Nicht mehr, nicht weniger. Dass es vielleicht nur wenig mit mir zu tun hat ist mir egal und beeinflusst meine moralischen Werte nicht im Geringsten.
Und ich will meinen "Knackarsch", denn mein limbisches System soll es gut haben.