Sonntag, 2. November 2008

Finanzkrise

Ich möchte einen Bruchteil dieses Systems verstehen und mich mit den möglichen Folgen der Finanzkrise für die Bevölkerung auseinandersetzen. Ich erinnere mich noch an einige Interviews in der Vergangenheit in denen der Satz "Wirtschaft kennt keine Moral" fiel und sich wirklich niemand ernsthaft darüber aufregte, denn die Wirtschaft ist scheinbar etwas Übergeordnetes mit eigenen Gesetzen.
Wie zum Beweis dafür hörten wir ebenso oft den Satz:"der Markt regelt sich von allein". Erste Kritik spiegelt das Unwort des Jahres 2004 wieder. "Humankapital"! Doch was heisst das alles wirklich und wie funktioniert das komplizierte Gebilde Wirtschaft? Was ist passiert und was wird wohl in Zukunft passieren. Ändert sich überhaupt etwas? Das Unwort des Jahres 2004 sorgte für viel Kritik, weil es zu Unrecht den Mensch zur reinen Ressource degradieren würde. Zu Unrecht deshalb, weil das Unwort im eigentlichen Sinne positiv gemeint sei, denn der Mensch würde als Erfolgsfaktor, bzw Potential angesehen, nicht als reiner Kostenfaktor. Klingt schon logisch, aber warum hatten alle meine Chefs etwas dagegen, dass ich mir das Wort auf das Firmenfahrzeug klebe?
"Der Markt regelt sich von allein."
Wie oft haben wir alle diesen Satz gehört!
Die Bedeutung geht auf eine Wirtschaftstheorie von Adam Smith zurück und soll das Gesetzt der freien Marktwirtschaft widerspiegeln. Bei der freien Marktwirtschaft werden Produktion und Konsum vom Markt gesteuert. Angebot und Nachfrage eben. Der Staat wirkt nur indirekt mit. Er stellt dabei eine Rechtsordnung sowie öffentliche Güter zu Verfügung. Öffentliche Güter sind z.B. Frieden oder saubere Luft. Adam Smith ging davon aus, dass jeder Mensch, der in diesem System mitwirkt, trotz seiner egoistischen Ziele, automatisch zum Wohl der Gesamtheit beitragen würde. Ob er es will oder nicht. So regelt sich der Markt von allein, denn das Zweck- Mittel- Kalkül der Menschen sorgt für Gleichgewicht.
So weit die Theorie.
Auf den ersten Blick sieht es gerade so aus, als würde diese Theorie nicht stimmen, aber sie bezieht sich eben auf einen Markt mit zu produzierenden Produkten. Für mein Verständnis ist das nicht unbedingt auf den Finanzmarkt übertragbar.
Allerdings wurde in der Vergangenheit immer wieder auf die freie Marktwirtschaft verwiesen, wenn Rechte eingeschränkt, Menschen entlassen wurden oder Steuern der Grosskonzerne reduziert werden sollten. Die öffentlichen Güter und die Rechtsordnung werden gern in Anspruch genommen, die Infrastruktur der Länder ist selbstverständlich, aber das Zahlen der Steuern ist eine Bürde, die nur mit Entlassungen getragen werden kann. Wie viele Manager wohl in Europa verschwinden würden, wenn sich aufgrund einer fehlenden Rechtsordnung auch hier eine Entführungs-Industrie wie im Irak etablieren würde? Ach, na ja, in Italien funktioniert es ja auch irgendwie so.
Der Begriff "freie Marktwirtschaft" hat im Laufe der Jahre nicht nur einen schalen, sondern auch einen bitteren Beigeschmack bekommen.
Freie Marktwirtschaft beinhaltet auch Konkurrenz, bzw deren Folgen wie Konkurse. Wer nicht aufpasst und grobe Fehler macht verliert das Spiel und muss Insolvenz anmelden. Der Laden ist pleite.
Leider sieht es im Moment so aus, als würde das für Gross-Unternehmen nicht zutreffen. Das widerum liegt an der angeblichen sozialen Marktwirtschaft, die gerade von Deutschlands Politik propagiert wird.
Die soziale Marktwirtschaft baut zwar auf der freien auf, aber der Staat kann wettbewerbspolitische und regulierende Massnahmen ergreifen um ein Marktversagen zu verhindern. So schaden z.B. Kartellbildungen dem freien Wettbewerb, der unbedingt erhalten bleiben soll. Regulierend greift der Staat ein, wenn z.B. ein Preisniveau vorgegeben wird, wie es wohl beim Buchbindungspreis der Fall ist. Ebenso können die Anzahl der Wettbewerber oder Produktionsmengen vom Staat gesteuert werden. Beim Steuern der Wettbewerber durch die Privatisierung des Strommarktes lief allerdings einiges aus dem Ruder, denn faktisch herrscht dadurch ein Kartell aus vier Grossanbietern in Deutschland. Leider machte das Schweizer Volk bei einer Abstimmung zur Privatisierung des Strommarktes den gleichen Fehler und bezahlt mit deftigen Preiserhöhungen. So hatten die regulierenden Massnahmen des deutschen Staates eher für ein Ungleichgewicht im Sinne Adam Smith gesorgt und die Lage für die Konsumenten erheblich verschlechtert. Im Falle der Finanzkrise wird soziale Marktwirtschaft aber anders ausgelegt. Das Marktversagen wurde nicht verhindert, sondern es wird bezahlt. Der Staat will die Situation retten indem er das System an sich rettet, damit nicht alles den Bach runter geht, was vermutlich noch viel mehr Schaden anrichten würde. Eine Politikerin sagte, frei übersetzt, dass es sich bei diesem Eingreifen um soziale Marktwirtschaft handle und es die Pflicht des Staates sei dies zu tun und den Banken Auflagen zu machen wenn diese Geld nähmen. Aha, klingt gut. Aber kontrolliert das eigentlich jemand? Haben die geschaffenen Kontrollorgane, so es sie denn gibt, überhaupt tiefgreifende Befugnisse? Dürfen sie alle Unterlagen einsehen? Tun sie das auch? Pessimistisch wie ich bin, glaube ich das nicht. Ich halte das alles ausschliesslich für Gerede um die Massen zu beruhigen und Wählerstimmen "abzugreifen". Mich beschleicht das Gefühl, dass die Grossfinanciers allesamt einen Freibrief erhalten und sie somit "für die Zukunft gerüstet sind".
Das System ist gerettet, das Spiel kann von vorne beginnen.
Den Medien zufolge wird auf einen Lerneffekt gehofft und eine Regulierung des Finanzmarktes bleibt aus.
Ich bezweifel das stark, denn ein ähnliches System wie das gerettete kollabierte schon 1998. Der Absturz der Hedge-Funds LTCM verlief nach fast dem selben Schema. Zwar wurden dabei verhältnismässig geringe Summen verzockt, aber ein Lernerfolg blieb aus. Man kann zwar behaupten, dass die äusseren Umstände keineswegs die gleichen sind, aber die Strategie war die gleiche. Es wurde u.a. mit völlig überzogener Kreditfinanzierung operiert. Die Farce dabei ist, dass das Verhältnis von Eigenmitteln zu Kreditmitteln, die sogenannte Leverage-Ratio akut hochgefahren wurde. Der Quotient von 1:30 galt Ende der Neunziger schon als ungewöhnlich hoch, aber 2007 lag diese z.B. bei der UBS bei 1:52.
Ich denke, der Glaube an einen allmächtigen Markt wird weiter seine Blüten treiben. Auch wenn alle Banken Europas Besserung geloben, stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit.
Während in der Schweiz die UBS 62 Milliarden SFr bekommt, kündigt diese an 7 Milliarden an Boni für die Manager auszuschütten. Klar, wenn man nicht viel bezahlt, bekommt man nur minderwertiges Personal. Aber warum braucht dann die UBS das Geld? Und wie kann jemand noch schlechter sein, wenn "alles an die Wand gefahren ist"? Allerdings kann man schlecht alle entlassen, denn wie will man die ganzen Banker und deren Manager auf dem Arbeitsmarkt vermitteln, die können ja nix.
Wie meine Grossmutter schon zu sagen pflegte:"Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen."
Die Auswirkungen der Mentalität des ausschliesslichen Nehmens dürfte langfristig gravierende Folgen haben.
Wie soll ein Staat seiner Bevölkerung moralisches Handeln abverlangen, wenn mit dem Gegenteil horrende Gewinne erzielt und bei Versagen noch Boni gezahlt werden. Wie soll einem "Otto-Normalverbraucher" glaubhaft gemacht werden, dass es unmoralisch ist, wenn er gegen Gesetze verstösst und dadurch der Gesellschaft Schaden zufügt? Die sozialen Folgen der Finanzkrise sind unüberschaubar und tragen kaum Frieden in unserer Gesellschaft bei. Aber dieser Frieden ist weder ein Thema, noch augenblicklich interessant. Der Staat zahlt und die verspekulierten Summen werden anschliessend von unten nach oben geschaufelt. Wirtschaft kennt keine Moral.
Aber wir, das Volk, wir kennen Moral.
Treibstoff ist ohnehin zu günstig und muss im Sinne des Klimaschutzes viel teurer werden. Es ist auch nicht nötig, dass sich Pendler über die Pendlerpauschale ihr Haus im Grünen finanzieren. Ich bin mir auch nicht so sicher, ob Fliegen so günstig sein muss, dass jeder Durchschnittsbürger zum Shoppen nach London fliegen kann. Sportarten wie Motorrad fahren, Segeln und Kiten sind auch viel zu Verletzungsintensiv und sollten Reichen vorbehalten bleiben. Und mal ganz ehrlich, unser Überangebot an Lebensmitteln ist auch überflüssig. Ein Apfel tut es doch auch, es muss keine Papaya im Supermarkt liegen.
Wir sollten uns im Sinne der Gesellschaft mit dem Staat solidarisieren und immer wieder unser gelobtes Wirtschaftssystem bezahlen, dass dem Wohl aller dient. Wir haben zwar keine Ahnung warum, wieso, weshalb, aber wir sollten es tun.
Wir halten die zweite Wange hin und bezahlen die Zeche. Zu viel Geld verdirbt den Charakter und ist unmoralisch. Lasst uns für eine heile Welt sorgen in der nur die verschwindend kleine Minderheiten der Ultrareichen ökologischen Schaden anrichten kann.
SOLIDARITÄT MIT DEN BANKERN!

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