Velotour Teil 2
2. Tag
Für den zweiten Tag war eine Fahrt per Velo flussaufwärts geplant.
Wie weit, liessen wir offen. In erster Linie sollte die Natur genossen
werden. So fuhren wir den Doubs entlang, nicht selten direkt am
Ufer. Eine wunderbare Landschaft, die sehr viel bietet.
Gleich am Anfang sogar eine Kajakstrecke mit Tribüne.
Die Natur hat hier ihren ganz besonderen, rauhen Charme.
Der Schatten der Bäume und die häufigen Regenfälle sorgen für
einen schnellen Wuchs von Moos und Ranken. Es wirkt wie ein
Regenwald in kühler Ausführung.
Es folgten im weitern Verlauf einige Gasthäuser, die häufig direkt
am Flussufer lagen und zur Einkehr einluden. Alle boten Betten an,
wieviel frei waren, hatten wir nicht gefragt.
Einige dieser Gasthäuser waren liebevoll gestaltet und urgemütlich.
Der Phantasie waren kaum Grenzen gesetzt.
Die Stellen, an denen die Häuser erbaut wurden, lagen ausnahmslos
an wunderschönen Plätzen.
Doch Vorsicht!!!
Romantische Plätze sind nicht immer ungefährlich.
Nach einigen Stunden kam eine Steigung, die einfach kein Ende
nehmen wollte.
Ein steiniger, manchmal recht enger Waldweg, der sich immer
weiter in die Höhe bohrte.
Wir hatten beschlossen zur "Moulin de la Mort", der "Mühle
des Todes" zu fahren und wollten unser Ziel unbedingt erreichen.
Wir sahen weit unten in einem engen Tal eine Kirche und ein in den
Fels gebautes Haus, oder etwas ähnliches. Wir verzichteten auf die
Weiterfahrt, denn es erschien uns nicht der Mühe Wert zu sein,
ca. 300m bergab zu fahren, uns das anzusehen und dann den
anstrengenden Aufstieg zurück zu fahren. Es hätte nicht nur Kraft,
sondern auch sehr viel Zeit gekostet. Wir beschlossen die Höhe zu
nutzen und uns auf den Rückweg zu machen.
Wer denkt, dass das Fahren bergab keine Kraft kostet, täuscht sich
jedoch.
Downhill vom feinsten.
Steile, steinige Wege mit teilweise engen Kurven und nassen Passagen.
Das war nur im Stehen zu bewältigen und kostete entsprechend Kraft.
Es war aber auch absolut klasse! Rasante Fahrt bergab, bei der die
Konzentration nicht nachlassen durfte. Immer musste auch auf die
Wegverhältnisse geachtet werden, ohne genaues Zielen stand das
Material auf dem Spiel, was sicher zu üblen Blessuren geführt hätte.
Super, ich liebe so etwas!
Der Tag war einfach nur schön und bot alles, was unser Herz
begehrte. Wunderbare Natur, Abenteuer, Faxenmacherei am
Felsen und feine Fötelis.
Am Ende galt es noch zwei krasse Steigungen zu überwinden, wozu
natürlich die eine zum Hotel führte, wo wir Plätze zum Abendessen
reserviert hatten. Gut, das wir relativ früh zurück waren und nach
der Dusche noch etwas ausruhen konnten, bevor es zum zNacht
ging.
Offensichtlich Gastronomie vom feinsten. Nicht nur, weil die Karte
ausschliesslich auf französisch geschrieben war, sondern auch wegen
der Art der Bedienung und der Gerichte die auf der Karte standen.
Nicht nur einzelne Speisen, sondern eben auch einige mehrgängige
Menüs, konnten wir "erraten".
Dazu gab es eine Weinkarte, die immerhin erheblich dünner als die
Bibel war.
Es war für mich mehr als schwer, mir zusammenzureimen, um was
für Speisen es sich handelte. Zwar half Kathi mir dabei, aber auch sie
verstand lange nicht alles, was auf der Karte stand. Nachdem wir
unsere Speisen bestellt hatten, setzten wir unsere anfänglichen
Beobachtungen des Umfeldes fort.
Wir sahen z.B. Menschen, die Steine an einer Käsereibe rieben und
dann kleine Brote assen. Auch auf unserem Tisch standen diese
dubiosen kleinen Teller mit einer Reibe, einem Messer zum
Schmieren und etwas, was in der Packung wie Käse aussah, aber
Butter war. Der ungefähr eigrosse, unregelmässig geformte Stein sah
haargenau wie ein Rosenquarz aus.
Warum sollte man einen Rosenquarz an einer Reibe reiben?
Ich sah zwar Leute, die diesen Stein in der Hand hielten, reiben sah
ich jedoch niemanden. Die essen hier Steine.
Franzosen essen Steine!
Ich hatte nichts zu verlieren, wir hatten schon derart viel gelacht,
dass ohnehin alles zu spät war, von gutem Benehmen konnte keine
Rede mehr sein. Also konnte ich auch beherzt reiben. Was man so
beherzt nennt, denn es war irre laut und hinterliess kaum Spuren.
Ich kam mir vor, als würde ich einen Baum schütteln und daraf
warten, dass Blitze aus seinem Inneren kämen. Es war uns
schleierhaft, was es mit diesem Stein auf sich hatte. Irgendwann, im
Laufe des Abends, sahen wir, wie jemand das Brot mit der Butter
bestrich und darüber den Stein an der Reibe rieb. Da fiel es mir
"wie Schuppen von den Haaren". ;-)
Was soll man schon auf Butter streuen, ausser Salz!
Das war die Lösung, es musste sich um Salz handeln.
Unser Essen wurde nun angerichtet.
Kathi verspeiste ein oppulentes Menue mit 3 Gängen, während ich
meinen ungeheuren Appetit auf Lammfleisch stillte. Das Essen war
köstlich. Alles super lecker, absolut frisch und kreativ angerichtet.
Auch die Portionsgrösse war anständig, weshalb ich auf ein Dessert
verzichtete und einen Espresso bestellte. Zum Espresso wurden
aber Schokoladenkugeln, zwei Erdbeerschnitten, zwei Schokoladen
Mintplättchen und Baiser serviert. Man konnte scheinbar nichts
bestellen, ohne so viel angerichtet zu bekommen, dass man
mindestens ein Kilo zunahm.
Und dann kam er........
Der Mann, der keinen Kursus zum Forellenessen bekommen hatte.
Leider hatte ich die Szene nicht verfolgen können, denn der Gute sass
hinter mir. Kathi beobachtete alles und berichtete dann live.
Ärgerlich, wirklich ärgerlich, aber wahrscheinlich hätte ich
losgebrüllt vor Lachen, und der Mann wäre gezwungen gewesen,
mich zum Duell zu fordern. Jedenfalls sass er am Tisch hinter mir,
vor seiner Frau und wusste offensichtlich nichts mit einer Forelle
auf dem Teller anzufangen. Seine Frau ass etwas anderes und konnte
nicht helfen, wie es aussah. Nun nahm er also Messer und Gabel und
schabte und werkelte auf der Haut der Forelle herum.
Vielleicht wartete er auf eine Eingebung die ihm mitteilt, wie man
diese Dinger wohl auseinanderbauen muss, damit sie essbar werden.
Zu dumm, dass kein anderer Gast im Hotelrestaurant ebenfalls
Forelle ass, wo er es sich hätte abgucken können.
So weit, so gut. Ich will nicht zu schadenfroh sein, so hätte ich auch
dort sitzen können, aber der Spass fängt jetzt erst richtig an.
Ehrlich, ich habe Kathi immer wieder detailliert gefragt, was er wie
gegessen hat, und es waren auch keine Pilze in ihrem Essen, die zu
halluzinogenen Anfällen hätten führen können.
Der Mann verlor nicht nur die Gedult, sondern offensichtlich auch
völlig die Fassung. Dieser ärgerliche kleine Fisch, der sich nicht
einmal im Tode seinem Schiksal ergeben wollte, muss ihn
wahnsinnig genervt haben, anders kann ich mir die folgende
Handlung nicht erklären.
Er nahm die Forelle in die Hand und..... biss den Kopf, oder
zumindest Teile davon ab und begann zu essen. Natürlich ist der
Kopf eines Fisches nicht mit Fleischreichtum gesegnet, woraufhin
der Mann sich die Kleinteile mit den Fingern aus dem Mund, im
wahrsten Sinne des Wortes, fischte.
Ok, der Mann hat "gewonnen".
Sicher wird er es irgendwann geschafft haben der toten Forelle
den Garaus zu machen und sie ganz verspeist haben. Wer weiss,
vielleicht sogar komplett. Gut ausgesehen hat er dabei nicht.
So etwas nennt man wohl Pyrrhussieg.
Vielleicht ist es so etwas wie die Moral von der Geschicht`.
Kleinigkeiten sollten einem nicht zu schnell peinlich sein.
Es wird schon noch jemand kommen, der völlig die Nerven verliert.