Montag, 23. Juli 2007

Monte Generoso

Die Via ferrata war geklettert, neue Abenteuer riefen. Ich plante, zum Gipfel des Monte Generoso zu gehen, dort in der Hütte zu schlafen, und am 12. Juli den Klettersteig zu begehen. Laut I-Net sollte die Fahrt zum Talort 1h Stunde dauern. Dazu kam die Fahrt mit der Zahnradbahn nach Bellavista, also noch einmal eine halbe Stunde. Dann noch der Weg zum Gipfel, den ich, wegen dem vollen Gepäck, mit 1,5h veranschlagte, obwohl die Bahn auch bis 50m unter den Gipfel fahren würde, aber ich wollte ja laufen. Vielleicht würde ich in Bellavista Wegweiser zum Klettersteig sehen, in Lugano war ja alles sehr gut ausgeschildert. Dann könnte ich eventuell das Gepäck in der Hütte unter dem Gipfel abgeben, 1 Station runterfahren, hochklettern, in der Hütte übernachten und so einen vormittag einsparen. Da ich kein Bergsteiger bin, wachte ich am nächsten Morgen erst um 08:00h auf, packte meine Sachen bis ca. 09:00h und frühstückte dann gemütlich. Um 10:00h war ich im Zug, um 11:00h in Bellavista, um 12:00h auf dem Gipfel. Das ging wesentlich schneller als geplant. Leider hatte ich keine Hinweise auf die ferrata gesehen. Der Gipfel war nicht nur voll, sondern bestand aus einem sehr grossen Plauteau, so das ein richtiger Rundblick nicht möglich war. Ich musste mich zwischen die Menschen drängeln um Fotos machen zu können, lief dann die 10m zur anderen Seite und machte das nächste Foto. Ich hatte nicht das Gefühl auf einem Gipfel zu stehen, das Ganze hatte eher U-Bahn Station Flair. Die Hütte sah auch nicht besonders einladend aus. Was also tun? Den Klettersteig suchen? Zur Hütte gehen, fragen und noch einmal den halben Berg umrunden? Es erschien mir nicht lohnenswert, mich auf die Suche zu machen, irgendwann die ferrata zu finden und mich dann eine bescheidene Stunde zu amüsieren. Ich hatte einen Tag zuvor schon das Vergnügen, und hier wäre es wohl nicht viel mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Die Wand ist auch nicht höher, der Steig als schwer deklariert, was leichter ist, als der San Salvatore. Wenn ich aber mit vollem Gepäck den Abstieg bis zum See machen würde, wäre meine Physis bis aufs äusserste gefordert. Ausserdem sah der Weg den Grat entlang sehr verlockend aus, und es war interessant für mich, dem solo Klettern ein solo Wandern folgen zu lassen. Inzwischen war es 13:00h, Zeit genug um die ca. 1400m abzusteigen und zum alten Hotel zu fahren. Auf dem Rückweg bestieg ich noch den Vorgipfel. Hier bot sich endlich ein feiner Rundblick. Das ist eher ein Gipfel. Mit kleinerer Fläche und Grasbewuchs auf der Kuppe. Hier war auch der Endpunkt des Klettersteigs. Er sah abgesperrt aus, was mir endgültig die Motivation raubte, den Einstieg finden zu wollen. Doch es sollte noch besser kommen. Ein guter Aussichtspunkt jagte den anderen. Einfach grandios. Das dumme am Abstieg ist, dass man absteigt und dadurch die gute Sicht verliert. Es kommt der Punkt, an dem nur noch das Laufen bergab übrig ist. Anstrengendes Gehen, das die Knie aufs ärgste belastet und schier endlos dauert. Die Gefahren von Grat und steilen Hängen waren vorüber. Der alleinige Umgang mit den Gefahren war überstanden. In der Vergangenheit war ich schon Streckenabschnitte solo gegangen, und die Gefühle waren ähnlich. Die Eindrücke und Empfindungen sind intensiver, was nicht zwangsläufig besser sein muss, denn Gefahren werden schnell diffus und sind schwer zu beurteilen. Die Angst wirkt stärker, denn es gibt keine Ablenkung. Allerdings ist auch man frei in seinen Entscheidungen und kann zB das Tempo nach belieben bestimmen. Teilweise bin im Dauerlauf gerannt, einfach nur, weil ich den Drang verspürte. Wenn ich mit einem schweren Rucksack durch die Gegend laufe, fühle ich mich manchmal einfach nur unheimlich gut. Frei, voller Kraft und Dynamik. Nichts lenkt mehr ab, es gibt nur noch gehen, atmen, und das Spüren des Organismus. Und wenn ich dann gerade so am atmen, spüren und rennen bin, passiert es eben, dass ich hier und dort mal ne Abzweigung übersehe. Opfer müssen gebracht werden, sagt der Schachspieler. Macht ja nichts, solange ich noch rechtzeig merke, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich hatte es ja nicht eilig, und ausserdem war ich ohnehin schnell genug. Nach dem zweiten mal war dann doch nicht mehr sehr viel Zeit übrig und konzentrierte mich schon mehr auf die Schilder. Trotzdem machte ich einen riesigen Bogen und wunderte mich, dass Melide links von mir lag, wo sie doch rechts von mir liegen sollte, wenn ich ankomme. Ist ja auch egal, ich war am Ziel. Dachte ich. Es war dort keine S-Bahn Station zu sehen. Es war erst 17:30h, also genug Zeit um zum nächsten Dorf zu laufen. Auf die 3Km kam es auch nicht mehr an. Um 18:40h war ich im Hotel. Die Füsse waren rund, die grossen Zehe an der oberen Seite leicht aufgescheuert. Abstieg eben. Egal, die Tour hat Spass gemacht, es war die Sache wert. Anders herum gelaufen, ist das sicher eine sehr, anstrengende, aber viel lohnenswertere Wanderung, denn wenn es touristisch und ungemütlich wird, steht die Zahnradbahn für den Weg nach unten bereit. Ist doch lockerer Oder?

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