Velotour Teil 5 und Ende
Tag 5
Das Frühstück bestand nach der stressigen Nacht aus Baguette
vom Vortag oder dem davor, etwas Butter und einem sehr kleinen
Schälchen Pflaumenmus. Das sollte sich noch rächen.
Was soll`s, die Nacht war überstanden, keine Knochen gebrochen,
der Preis war nicht hoch und der Tag war jung.
Jung und mit dicken dunkelgrauen Wolken am Himmel.
Eile schien geboten.
Doch wieder waren die Wettergötter auf unserer Seite. Das drohende
Gewitter zog knapp an uns vorbei und nur einzelne Tropfen fielen.
Bis nach Porrentruy, unserem heutigen Etappenziel, waren es nur
20Km, wenn wir über die Hauptstrasse fahren würden. 20Km auf
feinstem Asphalt, der das Velofahrerleben erleichtert. 20Km, die
in höchstens 2h gefahren sind.
20 Km, die total langweilig sein werden!
In Damvant beschlossen wir, einen kleinen Abstecher zur "Grottes
de Rèclère" zu machen um uns eventuell die Höhle dort anzusehen.
Diese Entscheidung, verbunden mit einem Missverständnis und
dem mickrigen Frühstück, wird uns noch noch lange in Erinnerung
bleiben. Wir bogen also ab und schlugen uns weitere 100m hoch in
die Berge. Laut Karte handelte es sich dabei um ein Mountainbike-
Strecke, was man ja prinzipiell nicht so ernst nehmen sollte.
Diese Mountainbiker neigen ja ohnehin zu Übertreibungen.
Mitten im Wald war der Weg jedoch von Pferdespuren übersät und
völlig kaputt getrampelt. Ein Matschloch jagte das andere, der Pfad
entwickelte sich zu einem Dschungel- Abenteuer.
Der Weg zur Höhle war nicht sehr lang, aber äusserst schwierig.
Die "Grottes de Rèclère" ist ein durchorganisierter Touristen-
Tempel der keine Wünsche der Autotouristen offen lässt.
Wir benutzten die Sanitären Anlagen allerdings nur zum Putzen
unserer Velos. Ich hatte Kopfschmerzen und fühlte mich schlapp,
ging aber davon aus, dass ich mich auch weiter durchkämpfen
könnte. Das Frühstück war schon verbrannt, die Energie wurde
knapp. Kathi fragte, ob wir den Rest des Weges auf der Strasse
fahren wollten, aber ich lehnte ab. Mir zu liebe müssen wir nicht
auf der langweiligen Strasse fahren, dachte ich. Denken war nicht
genug, denn sonst hätte ich erfahren, dass Kathi wirklich lieber auf
der Strasse weiter gefahren wäre. Ich für meinen Teil wollte ihr
nicht die Velotour verderben und entschied mich deshalb für den
weiteren Weg im Gelände. Eigentlich wäre mir die Strasse zu dem
Zeitpunkt recht gewesen, besonders weil klar war, dass der Rest
der Strecke über die Höhe nicht leicht werden würde.
So machten wir uns auf den Weg nach Roche d`Or, wozu wir weitere
100 Höhenmeter zurücklegen mussten. Von Roche d`Or aus
wollten wir nach Montancy, von wo aus es nur noch bergab nach
Porrentruy gehen würde. Eine schöne Vorstellung, zwischen der
nur der Weg nach Montancy lag. Ein Weg, der mit einem steinigen,
steilen Waldweg begann. Die Steigung war nicht das Problem. Mein
Problem hatte ganz andere Gründe. Der Weg war auch bei Bremsen,
bzw. Brämen sehr beliebt und die traktierten und quälten mich.
Ausserdem quietschte mein Fahrrad im Tretlager. Verdammt!
Jetzt hatte ich wirklich miese Laune. Pfeiff auf die Kopfschmerzen
und die Bremsenstiche, aber wenn das Velo noch kaputt geht, dann
hört der Spass wirklich auf. Ausgerechnet das Tretlager. Das roch
nach komplizierter und zeitraubender Arbeit. Darüber hinaus hörte
die Steigung einfach nicht auf, dabei hatten wir doch schon
"gefühlte 300 Höhenmeter" zurückgelegt. Nach ca. 30 Minuten
hörte das Quietschen auf und meine Laune besserte sich.
In Roche d`Or angekommen, musste noch eine letzte Anstrengung
unternommen werden, um zur Vacherie Dessus, dem höchsten
Punkt des Tages zu kommen. Dann, ja dann ist es geschafft, dachte
ich. Wir glaubten mit dem anstrengensten Teil der Etappe fertig
zu sein und fuhren munter weiter. An einer weiteren Alp vorbei,
über Feldwege und Alpwiesen. Sehr idyllisch und angenehm, schon
wegen der Sonne, die gerade die Wolken verdrängt hatte und eine
wohlige Wärme spendete. Nach einiger Zeit des Wohlbefindens
bogen wir in einen Waldweg ein, und es sollte eine lange Zeit voller
Kampf und Ungemach folgen. Auch dieser Pfad war nass, rutschig
und von tiefen Schlammpfützen durchzogen. Ich gebe zu, dass er
nicht immer so war, denn manchmal war er auch so schmal und
dornig, dass wir absteigen mussten um die Dornensträucher
nieder zu treten. Ich will aber nicht nur unken, teilweise war der
Weg auch wirklich schön und idyllisch.
Nach diesem Waldweg folgten endlose Wiesen über die wie fuhren.
Die Orientierung war nicht ganz leicht, die Wegweiser nicht sehr
häufig. Dazu drohte der Himmel immer mehr mit dicken, finsteren
dunkelgrauen Wolken, die nichts gutes im Schilde führten. Doch ein
erneuter Waldweg sollte unsere Rettung vor dem Regen sein. Das
Glück war wieder auf unserer Seite. Wir befanden uns am Rand der
Regenwolken und ein Fichtenhain schütze uns vor dem leichten
Regen, der nur wenige Minuten dauerte. Wir waren schier endlos
gefahren und wähnten uns nahe am Ziel. Dem Regen entkommen
und dem Ziel wahrscheinlich sehr nahe, setzten wir unseren Weg
guter Stimmung fort. Den Weg durch den Wald, der keinen Deut
besser war als der vorherige. Aber er war nahe am Ziel, nur das
zählte. Allein diese Tatsache liess uns die Schwierigkeiten locker
überwinden. Und so sollte es auch sein. Ca. 30 Min später verliessen
wir den Wald und bogen auf eine wunderbare asphaltierte Strasse,
die wir nur 500m herunterfuhren, weil dort das Gasthaus eines
Naturfreundehauses stand und uns förmlich zum Cafèsieren einlud.
Es war geschafft! Nach Porrentruy sollte es nur noch bergab gehen.
Nein, nicht auf üblen, modrigen und schlammgefüllten Wegen die
nur für Pferde taugen. Nein, bergab auf breiten, ebenen und
trockenen Asphaltstrassen.
Das Paradies!
Von Porrentruy waren wir beide begeistert. Es ist eine Stadt, die
nicht nur im Mittelalter verharrt, sondern auch reichlich Platz für
"die Moderne" bietet. Wir sahen etliche Kneipen, bzw. Baizen an
den Strassen, die voll von feiernden jungen Leuten waren.
Auf den Strassen "tobte das Leben", eine tolle Atmosphäre.
Doch es gibt auch eine andere Seite der Stadt.
Die hintere Seite. Die Perspektive der morbiden Schönheit.
Wir nahmen uns ein wunderbares Hotelzimmer.
Mit bester Aussicht.
Und fühlten uns einfach nur wohl.
Wir duschten, ruhten aus und gingen fein essen.
Die Nacht war ruhig, alles war bestens.
Am 6ten Tag fuhren wir ins 20Km entfernt liegende Roggenburg.
Diesmal wirklich auf normalen Landstrassen. Nach weniger als
2h waren wir am Ziel und genossen den Rest des Tages bei Essen,
Plaudern und Tischtennis. Wir schliefen die Nacht auf dem
Dachboden, bzw. Estrich und verbrachten den kompletten nächsten
in der angenehmen Gesellschaft. Ein wunderbarer, ruhiger Ausklang
unserer Velotour. Abends radelten wir noch 40 min zur S-Bahn und
fuhren heim. Das sollte es dann gewesen sein.